Besuch im rekonstruierten Hof von Eiríksstaðir |
Text: Marianne G.
Während ich sitze und geduldig Stich für Stich mache, schweifen die Gedanken. Ich sitze in einem geräumigen Atelier, gut beheizt und beleuchtet, habe Zentimetermaß, Stecknadeln und Scheren. Und einen großen Tisch. Aber wie haben die isländischen Vormütter gearbeitet? Traditionell aßen, lasen und arbeiteten die Isländer auf der Bettkante sitzend, für Tische war in den kleinen Torfhäusern kein Platz. Außerdem war Holz ausgesprochene Mangelware und wurde eher zum Bauen benötigt. Beleuchtung waren ganz früher Tranlampen, später Petroleumlampen. Strom kam hier mancherorts erst in den 40-50ern. In der Zeit unserer Darstellung kann man sich vorstellen, daß man statt Zentimetermaß einfach einen Faden benutzte, statt Stecknadeln Fischgräten (große, vom Dorsch), den Schnitt von einem aufgetrennten alten Kleidungsstück. Sehr interessant ist die Vermutung von Else Østergård, daß in den isländischen Siedlungen in Grönland eine ausgehängte Tür als Zuschneidetische benutzt wurde (Østergård, Woven into the Earth 2004:94), die Näharbeiten kann man ja sitzend auf dem Bett verrichten. Zur Landnahmezeit in Island gab es schon Scheren wie heute, also Gelenkscheren, allerdings waren sie kleiner als die Bügelscheren, die man zum Schafescheren benutzt. Diese kleinen Gelenkscheren von ca 14 cm Länge waren wohl eher zum Haareschneiden geeignet und die größeren Bügelscheren zum Schneiden der dicken vaðmál Stoffe. Nähnadeln aus Metall, meist Bronze, waren eine Kostbarkeit, die man in Nadeldosen aus Metall, Knochen, Federkielen oder Schwanenfüßen aufbewahrte. Um die Nadeln spitz zu halten, wurden sie mit kleinen Wetzsteinen geschärft, die an einem Ende durchlocht waren und am Gürtel aufgehängt werden konnten.
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