Freitag, 12. Oktober 2018

3. Versuche

3. Versuche

Nach den Vorüberlegungen ging es an erste Versuche, die ich mit industriegesponnenem Garn ausführte. Dazu gabs in meinem Fundus ein 6/1 Nm Garn für die Kette, das im Griff und der Textur stark an Islandgarn erinnert und für den Schuss ein Islandgarn mit Nm 4,5/1 in grau und weiss. Grau deshalb, weil man bei andersfarbigem kontrastierendem Garn besser vergleichen kann, ob und wie es dem Original entspricht.

Die Kette hatte ich kurz vor dem Abflug noch zu Hause geschärt und nach der Ankunft war sie hier auch ziemlich schnell auf dem Webstuhl und angewebt. Dazu muss ich noch bemerken, dass es im Textilsetur keinen Gewichtswebstuhl gibt und die Zeit auch wahrscheinlich nicht ausgereicht hätte, diese Arbeit auf dem GWS herzustellen. Deshalb wurden alle Arbeiten auf den etwa 90jährigen Trittwebstühlen der Kvennaskolinn hergestellt.

Der erste Teil in Grau entsprach durchaus meinen Vorstellungen, was den Steilgrat beim Fischgrätköper angeht und die Dichte des Schusses. Daheim am eigenen Computer werde ich später nochmal versuchen die Fotos von Original und Nacharbeitung nebeneinander in einer Collage zu zeigen.



Die Grösse sollte bei den beiden Teilen etwa 100 x 170 bzw. 100 cm betragen, leider hatte ich mich vermessen, so dass der erste Stoff nur 140 cm war, der zweite dafür 20 cm länger als geplant.
Für den zweifarbigen Stoff gab es dann noch eine Starterborte aus einem schmalen Brettchengewebe, wie sie für Stoffe vom Gewichtswebstuhl neben Ripskanten, Starterschnüre oder auch nur einfachen Schlaufen üblich war.  



Die andere Seite erhielt Fransen.
Anschliessend gab es einen Tragetest am Strand, für den sich freundlicherweise Susanne zur Verfügung gestellt hat. Sie trägt eine wikingerzeitliche Bekleidung, die an die dänischen Funde angelehnt ist und erstmal nix mit den isländischen zu tun hat - es geht hier rein um die Praktikabilität des Schultertuches mit seiner Befestigung an der Fibel.
Das erste Foto zeigt die Trageweise mit einer Fibel, die das Schultertuch auf der Brust verschliesst.

Hier jetzt die vermutete Trageweise mit der Befestigung auf den Schultern durch die Fibel, was sich als durchaus praktikabel herausstellte.



Hier noch einmal eine Grossaufnahme und ebenfalls in gross die beiden Löcher die die Fibelnadel verursacht.










Freitag, 5. Oktober 2018

2. Der Fund und meine Überlegungen dazu



2. Das Textil

In der Ausstellungsvitrine der blauen Frau, wie ich sie jetzt hier in Zukunft nennen werde, befand sich neben dem Brettchenband mit dem Rest des Trägerrocks auch obiges Textil. Es handelt sich dabei um ein Stück in Fischgrätbindung, das ebenfalls Löcher durch die Nadel der Ovalfibel aufweist. Es fand in der Veröffentlichung keine Erwähnung und war wohl ursprünglich auch in der Vitrine nicht mit dabei, sondern wurde nachträglich dazugelegt.
Nach Rücksprache mit Michele Hayeur handelt es sich um ein Stück, das ebenfalls durch die Lage in der Ovalfibel erhalten wurde. Bei der Untersuchung stellte sie folgende Schichtung fest: unterste (körpernahe) Lage Leinen, darüber eine Schicht Diamantköper mit Brettchenband, und als oberste Schicht der Fischgrät. Er wurde im Rahmen der Veröffentlichung nicht weiter untersucht, Michele Hayeur konnte mir insoweit helfen, dass sie in etwa die Fadendichte auf 10x11 cm beschrieb. Die Funktion des Textils liess sich aus wissenschaftlicher Sicht (noch) nicht weiter bestimmen.
Als reproduzierender Laie steht mir natürlich das Feld der Vermutungen offen und ich fragte mich, zu welchem Kleidungsstück der Textilrest evtl gehört haben könnte. Spontan fiel mir dabei ein Schultertuch ein, wie es  in verschiedenen Zusammenhängen Erwähnung findet.
Die genauen Quellen muss ich nachreichen, da ich hier in Island natürlich nicht meine Bilbliothek zur Verfügung und meine Notizen dummerweise zu Haus liegengelassen habe.
Meine Vermutung stützt sich auf folgende Merkmale:
Lage als oberste Schicht in der Fibel
eine andere Bindung als beim Hängerock
Benutzung im Zusammenhang mit der Fibel
Einige der modernen Darstellerinnen mit wikingerzeitlichem Bezug halten ihre Schultertücher mit den Fibeln auf den Schultern, so dass sie nicht verrutschen können, aus rein praktischen Erwägungen wäre also eine solche Trageweise möglich.
Dafür spricht auch die Webkante, die sich recht dicht neben den von der Fibelnadel hinterlassenen Löchern im Stoff befindet.

Auf dem Foto erkennt man recht gut die Löcher der Fibelnadel sowie am linken Rand die umkehrenden Schussfäden und die dadurch entstehende Webkante, vor allem im Bereich in dem die  Kettfäden vergangen sind.
Auf dem Bild ist ebenfalls gut zu erkennen, dass die Schussfäden dicker als die Kettfäden sind und bei höchst möglicher Vergrösserung ebenfalls, dass Schuss und Kette z-gesponnen sind. 
Für die bevorstehende Arbeit hatte ich also genügend Eckdaten und konnte mit den Vorbereitungen beginnen.

Mittwoch, 3. Oktober 2018

1. Landnahmezeitliches Umschlagtuch - der Versuch einer Rekonstruktion

Überlegungen für eine Rekonstruktion eines Schultertuches im wikingerzeitlichen Kontext

Kapitel 1 Vorüberlegungen Im Rahmen meines geplanten Aufenthaltes im Textil Setur in Island machte ich mir Gedanken über eine Arbeit, die ich dort am Webstuhl umsetzen wollte. Vor 2 Jahren hatte ich dort zusammen mit Marianne das Schürzenkleid der Frau in Blau reproduziert, das heißt wir hatten zusammen gearbeitet und haben gesponnen gefärbt und gewebt und schlussendlich aus dem gewonnenen Stoff das Schürzenkleid bzw Trägerrock einer wikingerzeitlichen Frau genäht. Siehe auch hier

In der Zwischenzeit haben wir mehrfach über die Herstellung und die Probleme dabei referiert. Auch durch die Veröffentlichung auf der Northern Women site The woman dressed in Blue wurde ein kanadischer Filmemacher auf die Arbeit aufmerksam. Er möchte nächstes Jahr einen Film über die blaue Frau drehen, erste Gespräche mit Marianne haben darüber schon stattgefunden.

Im Zuge dieser Vorgespräche nahm ich Kontakt mit Michelle Hayeur auf, die die Textilien der blauen Frau untersucht und in dem Begleitband zur Sonderausstellung im Nationalmuseum Reykjavík vorgestellt hatte.
https://northernwomen.org/project-2/
Sie hat ebenfalls viele andere Textilien Island untersucht.  In Rücksprache mit ihr habe ich mich nun dazu entschlossen, mich näher einem Teil der Textilfunde zu widmen, der nicht im Begleitband vorgestellt werden konnte, der aber aktuell in der Ausstellung der blauen Frau zu sehen ist und so auch von mir fotografiert werden konnte. In der Diskussion mit Michele Hayeur kam ich zu der Vermutung, dass es sich hier um Umschlagtuch handeln könnte.  Der Stoffrest lag oberhalb des Brettchen gewebten Bandes in der Fibel, muss also irgendwie zur Bekleidung der Frau gehört haben. Im Stoff sind deutliche Löcher zu erkennen, die von der Nadel einer Fibel herrühren könnten.  In den nächsten vier Wochen werde ich mich also weiter mit diesem Textilrest beschäftigen.

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