Samstag, 27. Dezember 2014

Nächste Überlegungen zu Lendbreentunika

Das Kettgarn ist in ausreichender Menge gefärbt, und muss jetzt zum Weben vorbereitet werden. Wie im Original werde ich je zwei Fäden Blau mit zwei Fäden Beige abwechseln.
Nachdem das benötigte Garn geschärt (auf Länge gebracht ist) und auf den Kettbaum meines Webstuhls aufgebäumt (auf die hintere Walze aufgerollt) wurde, kommen jetzt die nächsten Überlegungen zum Einzug in die Litzen, der das Muster bestimmen wird.
Bei der Tunika wurde ein Diamantköper (siehe auch meinen Blogbeitrag hier) gewebt, allerdings kein regelmäßiger.
Normalerweise gibt es bei den Stofffunden immer einen regelmäßigen Einzug, das heißt die Kettfäden werden in einer bestimmten Reihenfolge durch die Litzen gezogen, was sich dann nach einer bestimmten Sequenz wiederholt.
Ein sehr beliebtes Diamantköpermuster ist z. Bsp. dieses hier, wo nach jeweils 6 Fäden die Musterumkehr erfolgt, ein "Diamant" besteht als insgesamt aus 12 Fäden und das wird regelmäßig über die ganze Stoffbreite wiederholt.
















Bei der Lendbreentunika gibt es aber keinen regelmäßigen Rapport (Sequenz), sondern die Anzahl der Fäden, die einen Diamanten bilden ist unregelmäßig - mal sind es 8 Fäden bis zur Musterumkehr mal 12 oder was dazwischen. Auch die Schussfolge ist unregelmäßig.









Hier zeigen sich auch die Grenzen eines industriell erzeugten Stoffes in einer Darstellung; solche unregelmäßig gewebten Stoffe, die der Beliebigkeit der Weberin entsprungen sind, werden natürlich kaum in großem Maße von der Industrie gefertigt.

Für mich ergibt sich beim Einzug dann eine neue Herausforderung, da ich bis jetzt immer recht systematisch beim Litzenstechen vorgegangen bin um mögliche Fehler zu vermeiden, aber frau lernt ja durch Herausforderungen.
Eine weitere Besonderheit des Stoffes - die Brettchenkante mit vier Brettchen an einer Seitenkante lasse ich diesmal weg. Sie ist in der fertigen Tunika nur innen zu sehen und daher als gestaltendes Element nicht unbedingt erforderlich. Bei einer 1:1 Reko wäre sie natürlich unabdingbar.

"A tablet-woven band on the inside of the side seam in the body section was made with four
tablets. Both light brown z-twisted wool yarn and a darker brown yarn with corresponding
spinning are used. The band is hidden inside the tunic and only visible from the reverse.
Narrow tablet-woven edges of this type are quite common in Roman period textiles and
appear to have been used both for starting borders and, as in this case, for selvedges (Schlabow
1976; Hald 1980; Ræder Knudsen 2011)." (1)




Ich bin mit dieser Erklärung nicht so ganz einverstanden, für mich deutet das eher darauf hin, dass die Tunika eventuell quer gewebt sein könnte, dass also das, was hier als Kettfäden angesprochen wird, die Schussfäden sein könnten. Das Fehlen einer brettchengewebten Webkante auf der anderen Seite lässt mich zu dieser Überlegung kommen. Das Querweben von Tuniken ist im Bereich des Römischen Reiches durchaus nachgewiesen. Aber ohne genaue Untersuchung bleibt das nur eine Vermutung.


(1) S. 791 in:
Out of the Norwegian glaciers: Lendbreen—a tunic from the early first millennium AD
Marianne Vedeler1 & Lise Bender Jørgensen2
C Antiquity Publications Ltd.
ANTIQUITY 87 (2013): 788–801


Teil 3

Mittwoch, 24. Dezember 2014

Die Tunika von Lendbreen

Seitdem die ersten Nachrichten über die Tunika von Lendbreen veröffentlicht wurden, war es mein Wunsch, diese Tunika bzw. den Stoff dafür einmal nachzuweben. In den nächsten Wochen soll dieses Vorhaben verwirklicht werden und ich werde hier kontinuierlich drüber berichten.

Der Fund ist relativ neu und dem Zurückweichen der Gletscher zu verdanken. Im August 2011 haben Wissenschaftler und Archäologen auf bzw. in der Nähe des Lendbreengletschers gearbeitet, als sie auf ein zusammengefaltetes Textil stießen. Nach der ersten Untersuchung stellte es sich heraus, dass es sich dabei um eine recht gut erhaltene Tunika handelt, die etwa auf das Jahr 300 u. Z. datiert.
Eine genaue Fundbeschreibung von Marianne Vedeler und Lise Bender Jorgensen wurde im Jahre 2012 veröffentlicht, sie ist hier einsehbar:
1. https://www.academia.edu/4372500/Out_of_the_Norwegian_glaciers_Lendbreen_a_tunic_from_the_early_first_millennium_AD

Zwei Jahre nach der Veröffentlichung gab es nun auf Facebook einen Hinweis, dass die Tunika in Norwegen selbst reproduziert werden soll. Natürlich werden da vor Ort ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen,  wie z. Bsp. handgesponnenes Garn und Weben am Gewichtswebstuhl
2. http://www.apollon.uio.no/english/articles/2014/4_ironage.html
und ich kann mich mit meinen Ideen und meiner Umsetzung bestenfalls nur annähern. Aber ich habe schon angefangen, die ersten Berechnungen zu machen und das Material auszuwählen.
Meine Überlegungen stützen sich auf die beiden Veröffentlichungen, im Folgenden kurz V1 und V2 genannt, sowie auf weitere Literatur zu Textilien der jüngeren und älteren Eisenzeit (Achtung! In den nordischen Ländern gilt eine andere Einteilung: http://en.wikipedia.org/wiki/Iron_Age_Scandinavia). Auf Nachfrage gebe ich gern meine Literaturliste weiter.

Gegebenheiten:
die Tunika ist 92 cm lang und zwischen 44 cm und 61 cm breit. Der große Unterschied resultiert aus den geschneiderten Armausschnitten, ein Seltenheit an Tuniken diesen Zeitraums. Für mich bedeutet das:
eine ungefähre Breite von 61 cm plus Saum von ~ 1 cm auf beiden Seiten, sprich 63 cm. Dazu muss die Schrumpfung nach dem Weben berechnet werden, ich werde also insgesamt auf eine Breite von 68 cm weben.
Da die Arme aus einem anderen Stoff bestehen wie der Körperteil, werden sie auch extra berechnet werden.
Das Garn, und das wurde auch noch einmal in V2 betont, ist ein  relativ weiches Garn ohne die groben Deckhaare, natürlich einfädig in der Tradition der Zeit. Für die Kette wurde das Garn in zwei natürlichen Farbschattierungen mit 10 F/cm, Z-Twist verwendet, wobei sich immer zwei helle und zwei dunkle Fäden abwechseln. Da ich mich ja nur an den Fund anlehnen und ihn nicht 1:1 nacharbeiten will, habe ich mich für eine Färbung mit Indigo und Bartflechte entschieden, womit dann auch der Schuss eingefärbt wird, die Ärmel werden nur mit bartflechtengefärbten Garnen hergestellt, sie sind auch im Original einfarbig. Das Schussgarn muss feiner sein als das Kettgarn, es hat etwa 13 -14 Fäden pro cm.
Nach Inspektion meiner vorhanden Vorräte habe ich mich für ein relativ weiches 6/1 Garn für die Ketten und ein 8,5/1 Garn für den Schuss entschieden. Im Original ist der Schuss auch hauptsächlich z-gesponnen, nur im Bereich des Saumes und im Ärmel finden sich auch s- gesponnene Garne.  Nach dem Färben sieht es so aus:

Teil 2

Freitag, 12. Dezember 2014

Die Fasern der Islandziege

Da auch das Lavendelschaf in der nächsten Ausgabe im Frühjahr über die Faser der Islandziegen berichten wird, hier schon mal eine Übersicht von mir.
Ich habe bei mehreren Besuchen in den letzten vier Jahren auf der Ziegenfarm von Jóhanna á Háafelli im Westen Islands mehrere Proben von diesen Fasern mitbringen und verarbeitete Proben betrachten können. Das Ziegenhaar wird dort übrigens ausgekämmt.





Das isländische Ziegenhaar hat zwei sehr unterschiedliche Schichten: die sehr langen wasserabweisenden Oberhaare und die sehr feine Unterwolle. Jóhanna hatte vor vier Jahren die Wolle von verschiedenen Muttertieren in Norwegen auf Feinheit und Zusammensetzung untersuchen lassen. Dabei erwies sich dass das Unterhaar mit einer Feinheit von 15 - 19 micron dem Haar der Kaschmirziege um nichts nachsteht. Das Problem bei der Verarbeitung sind die sehr langen harten Oberhaare, die sich manuell sehr schlecht in einem langwierigen Prozess entfernen lassen.
Links gereinigte und entgrannte Faser - rechts unbearbeitet
In der Vergrößerung werden die unterschiedlichen Fasern besser sichtbar.
Ein mit dem Oberhaar versponnener und verstrickter Faden ist sehr stachelig und die Vorzüge der weichen Unterwolle kommen überhaupt nicht zum Tragen.
Ich habe daher ein paar Proben in einer kleinen Kämmerei entgrannen lassen. Jóhanna hat ebenfalls einen Versuch in einer norwegischen Wollspinnerei gestartet, was aber schlussendlich an den extrem hohen Kosten gescheitert ist.
Ich war mit meiner Probe sehr zufrieden, auch wenn die langen Grannen nicht vollständig enfernt wurden. Aber ich kann sie jetzt bei Spinnen leicht mit der Hand aussortieren.



Zum Spinnen wäre wohl eine unterstützte Spindel (supported spindle) gut, weil die Faser an sich recht kurz ist und glatt.Auf Anfrage gebe ich übrigens kleinere Mengen der unsortierten und nicht entgrannten Faser ab.

Exkurs: Ob das in einem römischen Sarkophag bei Euskirchen entdeckte Kaschmir jetzt tatsächlich aus Kaschmir bzw. Tibet stammt oder evtl doch von eine dem Römischen Reich näher beheimateten Ziegenrasse, wäre mal eine Untersuchung wert.

Wichtige Basisinformationen über Islandziegen gibt es bei der FAO (UN) und beim Bauernverband Islands
http://www.fao.org/docrep/008/a0070t/a0070t0a.htm
http://yndisgrodur.lbhi.is/pages/1322
http://weberstrasse-cashmere.weebly.com/



Ansonsten gibt es hier einen kleinen Einblick in Jóhannas Farm Háafell, ihren Tieren und den Produkten, die sie von ihren Ziegen herstellt.