Mittwoch, 10. April 2013

Beiderwand - mein neues Projekt

Ich besitze dank meines lieben Mannes jetzt seit etwa 3 Jahren eine Menge handgesponnenes Leinen. Ich wusste nie so recht , was ich damit tun sollte, und habe mir jetzt durch die Erweiterung des Zeitrahmens der IRM mal Gedanken über ein einfaches bäuerliches Gewebe gemacht.
Dabei fiel mir der Begriff Beiderwand wieder ein, der schon bei meinen ersten Webanfängen in einem Webbuch auftauchte und der mich dann beim Besuch des Heimwebereimuseums in Schalkenmehren in tiefe Verwirrung stürzte. Da wurde, wie so häufig im textilen Bereich, ein Wort mit zweierlei Bedeutung verwendet!

Im Buch von Erika Arndt steht:
"Eine besondere Form des Hohlgewebes ist die Mecklenburgische oder Holsteinische Beiderwand." (Arndt, Ravensburger Webbuch, Ravensburg 1984, S. 158/159).
Diese Art von Beiderwand ist webtechnisch recht anspruchvoll, sie entwickelte sich aus dem Drällgeweben und erfordert eine größere Anzahl von Schäften. Hier gibt es eine schöne Deutung der überlieferten Motive in dieser Art der, man kann schon sagen Bildweberei!
Beispiel 


Dagegen wurde mir im Heimatmuseum ein einfacher Stoff in Leinwandbindung als Beiderwand  gezeigt:
"Bei Beiderwand handelt es sich um ein leinwandbindiges Gewebe von grobem Aussehen für den alltäglichen Gebrauch. Die Bezeichnung "Beiderwand" wird einmal erklärt  durch "beiderlei Gewand aus Leinen und Wolle" zu anderen als "beiderseitig gleich aussehendes  Gewebe". Den ältesten Nachweis findet man in Ratsverfügungen der Stadt Soest aus den  Jahren 1300 und 1371, nämlich verschiedene Sorten Beiderwand : "Dryweidawand", "Slachtweidawand" und "Crusweidawand".
Beiderwand war immer ein Gewebe für ärmere Volksschichten und wurde für Trachten, Schürzen, Röcke, Vorhänge und Kissen verwandt."
(Dr. Thea Reichert "Alte Textilbezeichnungen : Beiderwand, Bradt, Halfsett und Barchent", in Weben H 1 / 1996 S. 2)

In der Zwischenzeit seit dem Besuch im Museum haben sich hier auch etliche Bücher über verschieden Regionen Deutschlands und ihre Trachten der letzten Jahrhunderte hier angesammelt und auch dort taucht wieder der Begriff Beiderwand auf.
Im ursprünglichen Wortinhalt wurde der Stoff aus Leinen in der Kette und Wolle im Schuss gefertig, oft als Ausgangsstoff für bäuerliche Röcke, Westen Jacken. Dafür würde in manchen Gebieten Deutschlands 'Pusselwolle' genommen. Zerschlissene Kleidungsstücke wurden aufgetrennt (aufgepusselt), das Wollgarn wieder aufgekämmt, neu versponnen und dann als Garn für die Stoffe verwendet.
Wenn man sich die Mühe gibt und etwas im Internet sucht, findet man die Beiderwand in fast allen Gebieten Deutschlands als Wullaken, Pusselrock, Tirtig, Tirtei, Berwes und unter weiteren Wörtern. 
Und ein solches Gewebe plane ich zur Zeit als Beispiel für die vergangenen Jahrhunderte.  

3 Kommentare:

  1. das klingt nach einem ebenso interessanten Experiment wie das letzte!

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  2. Schon wieder was gelernt! Ich dachte immer, Beiderwand sei ein Gewebe mit Leinen- oder Baumwollkette und wollenem Schuss. Oder auch allgemein Gewebe mit unterschiedlichen Fasern für Kette und Schuss.

    Interessant, dass die Mecklenburgische oder Holsteinische Beiderwand was ganz anderes ist.

    Ich habe hier einen alten, recht groben Stoff in Leinwandbindung mit baumwollener Kette und leinernem Schuss liegen, ich glaube, das nennt man Barchent. Mal sehen, was daraus mal wird.


    LG
    Iðunn

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