Sonntag, 23. März 2014

Ein Schleiertuch

Zur Zeit arbeite ich gerade an einer kleinen Kostbarkeit.
Eigentlich ist der Stoff simpel, einfacher 2/2 Köper, mit einer Breite von 70 cm und einer geplanten Länge von 140 cm. Es ist das Material, das den Stoff so besonders macht.
Marianne aus Island hat aus handverlesener Islandwolle ein hauchfeines Garn gesponnen, mit unterschiedlicher Spinnrichtung und Spinndrehung.
Wie schon bei dem sehr lesenswerten Artikel von Silvia über die Herstellung einer frühmittelalterlichen Hose erwähnt, wurden die Garne für die Stoffe oft in zwei Spinnrichtungen gesponnen, zum einen um ein dekoratives Muster  wie bei dieser Tunika in Spinnrichtungsmuster oder einen auf Silvias Blog beschriebenen Effekt zu erzielen.
Das alleine wäre ja schon der Erwähnung wert, aber die Farbe ist das zweite. Marianne hat das Garn mit Rocella tinctoria bzw. Ochrolechia parella gefärbt. Das sind Flechten, die in der weiten Vergangenheit zum Färben von Tectilien benutzt wurden, besonders um das teure und daher nur wenigen Leuten zugängliche echte Purpur aus Schnecken nachzuahmen.
Aus der erstgenannten Flechte, die auf den Inseln im mittelatlantischen Raum wächst, wurde das Orseille, aus der zweiten, die eher nördlich beheimatet ist, wurde das Cudbear gewonnen, in Schottland auch im großen Stil, bis die Flechtenvorräte erschöpft waren.

Das Garn wird nun zu einem Tuch verwebt, das als Schleiertuch verwendet werden soll, im folgenden Link sind verschiedene Trageweisen von Tüchern für die Kopfbedeckung aufgeführt!

http://wh1350.at/kleidung/verschiedene-kopfbedeckungen-in-der-umsetzung/


Leider musste Marianne das hart gesponnene und damit kettgeeignete Material nachfärben und nachspinnen, die Farbtöne sind unterschiedlich. So erhält sie einen gestreiften Schleier, der aber von sehr großer Strahlkraft ist - ein faszinierender Farbstoff!
Flechtenpurpur
Der schwarze Streifen an den Rändern ist übrigens naturbraune Wolle, die mit Ochrolechia überfärbt wurde!



Marianne wird auf der IRM einen Vortrag halten:
 http://www.reenactmentmesse.de/p_programm_IRM2014_vortrag.htm#vortrag4







Ich bin schon sehr gespannt!



Hier ist übrigens mal ein Vergleich: ein Prachtmantel, der durch die Verwendung unterschiedlich gefärbter Schuss- und Kettgarne einen optischen Eindruck von Purpur erwecken soll (unter anderem wie beim Mantelstoff aus dem Fürstengrab von Hochdorf) und dann auf dem Webstuhl der Flechtenpurpur. Das Foto ist übrigens abends ohne Blitz aufgenommen, deshalb wirken die Farben viel kühler als auf dem 1. Foto.