Samstag, 11. Januar 2014

Prachtmantel Nr. 2

Mit dem neuen Webstuhl ist es jetzt möglich breitere Stoff bis 150 cm zu weben. Deshalb plane ich einen zweiten Prachtmantel.

Auch dieser soll nur in Anlehnung an die Funde in Norddeutschland und Dänemark hergestellt werden, für eine exakte Rekonstruktion fehlt mir (noch) das entsprechende Garn.

Wenn man sich mit textilen Funden der Eisenzeit aus Norddeutschland beschäftigt, stößt man zuerst auf Karl Schlabow mit seinen Veröffentlichungen zu eisenzeitlichen Textilfunden.

Wenn man auf die Jahreszahlen der Veröffentlichung schaut und im Kopf behält, dass Schlabow von der Zeit zwischen 1933 und 1945 geprägt war und kein Archäologe, sondern erstmal Kunstmaler war, erkennt man, dass die gegebenen Informationen in diesen Werken vorsichtig zu verwerten sind.
Inzwischen gibt es auch modernere Untersuchungen, z. Bsp. in
War and Worship (siehe Literaturliste) die den Thorsbergmantel in den Kontext weiterer Funde stellt.

Exkurs:
Die Definition des "Prachtmantels" bei Wikipedia (die sich im übrigen nur auf die Veröffentlichungen Schlabows stützen, siehe Literaturliste ebenda) enthält einige Ungereimtheiten und sollte dringend einmal überarbeitet werden. So ist die Beschränkung auf den germanischen Bereich meiner Meinung nach auszuweiten. Zumindestens in Hochdorf (1) sind zwei Prachttücher mit mindestens einer angewebten Brettchenborte gefunden worden und wenn man von der Festlegung auf die 'rechteckige' Form absieht, zählen auch die Mäntel aus dem etruskischen Grab von Verrucchio (2) dazu neben anderen Funden.
Nicht alle Prachtmäntel sind spinnrichtungsgemustert: "Durch die gezielte Verwendung von rechts- oder linksgezwirnten Webfäden wird außerdem ein zusätzlicher optischer Effekt auf der Stoffoberfläche erzielt." Zitat Wikipedia. So bestehen die Mäntel von Gronowo, Pommern oder die aus Rendswühren, Dätgen, Vaalermoor und einige mehr (3) ausschließlich aus Fäden mit einer Spinnrichtung, meist z/z.
Ebenso sollte die Aussage "Die Borten werden meist in unterschiedlichen Breiten während des Webvorgangs am Gewichtswebstuhl eingewebt...." Zitat Wikipedia eher kritisch betrachtet werden. Wie Möller-Wiering (4) aufgezeigt hat, sind doch etliche Brettchenborten nachträglich angewebt worden.

Nachdem also der theoretische Hintergrund geklärt ist, geht es an die praktische Umsetzung.
Die Vorbilder in den Funden waren zum großen Teil gefärbt und auch mit Hilfe unterschiedlicher Farben gemustert wie zum Beispiel beim Mantel aus Thorsberg.
"Das Grundgewebe dieses Prachtmantels ist
kariert. Für die etwas helleren, bläulich-braunen Fäden in Kette und
Schuss ist Blau durch Färberwaid belegt, während die dunkleren,
aber gleichfalls bläulich-braun wirkenden Streifen beider Garnsys-
teme mithilfe von Waid und Färberginster grün gefärbt wurden." (5)

Die Farben für meine Ausführung liegen schon fest ebenso wie die Farbverteilung. Zur indigoblauen Kette wird es einen waugelben Schuss geben, die Fläche wird dabei noch durch drei krapprote Streifen unterteilt.
Das Garn für den Prachtmantel muss berechnet und gefärbt werden. Ich entschließe mich für ein Wollgarn mit einer Lauflänge von 800 m pro 100 g, das ergibt eine Fadendichte von 10 Fäden pro cm in Kette und Schuss. Die benötigte Menge wird auf Stränge gehaspelt, gebeizt und gefärbt. 
 
Indigoblau, rechts unten eine Jungpflanze Färberresede/Wau














































 





 Es sind noch einige Vorarbeiten nötig, bis das Garn auf dem Webstuhl ist und angewebt werden kann.












Danach werden die Borten angewebt.
  




 Nach der abschließenden Fertigstellung sieht er dann so aus:

Die Farbflächen blau-gelb und blau-rot lassen den Eindruck von Mischfarben entstehen, und bei einem schnellen Blick erscheint es doch erstaunlich, dass die Fäden in den Borten die gleichen wie im Mantel selbst sind.

(1) Banck-Burgess, S. 84
(2) Gleba, S. 73
(3) Möller-Wiering, S.118
(4) Möller-Wiering/Knudsen S. 163-165
(5) Möller-Wiering/VandenBerge NESAT abstracts 




Grundlegende Literatur: 

Banck-Burgess, Johanna: Hochdorf IV Stuttgart, 1999
Gleba, Margarita: Textile production in Proto-Historic Italy, 
                         In C. Gillis and M L. Nosch (eds.): Ancient Textile,   
                         Production, Crafts and Society, Oxford, 2007
Möller-Wiering, Susan: War and worship, Oxford 2011
Möller-Wiering/Knudsen in: NESAT XI, Hrsg. Banck-Burgess/Nübold, Rahden  
                                      2013



Schlabow, Karl: Textilfunde der Eisenzeit, Neumünster 1976
Schlabow, Karl: Der Thorsberger Prachtmantel, Neumünster 1952
Schlabow, Karl: Der Prachtmantel 2 aus dem Vehnemoor, Neumünster 1952
(zu diesem Bändchen gibt es eine Onlineveröffentlichung, falls da mal jemand reinschauen möchte: Prachtmantel Vehnemoor)


             

1 Kommentar:

  1. Das mit dem Eindruck vom Mischfarben ist schon wirklich erstaunlich! Im ersten Moment dachte ich auch "HÄ?!" Dass viele Borten nachträglich angewebt waren, erscheint mir logisch. Ein Gewichtswebstuhl braucht eine Menge Platz, ein Brettchenwebstuhl nicht. Man hätte so relativ leicht nachträglich selbst Brettchenborten an ein vorhandenes Tuch anweben können, was die Herstellungskosten gesenkt und das teure Tuch zusätzlich aufgewertet hätte. Arbeitsteilig war die Gesellschaft ja schon lange und ökonomisches Denken ist auch keine Erfindung der Moderne. - Aber ach, die wunderschönen Farben! Ich denke noch immer an den Besuch bei dir, wo ein ganzer Regenbogen aus Wolle auf dem Wäscheständer hing! LG, Morgan

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